Klöße, Klopse, Köfte – Mittag am Markt mit Wunsiedel ist bunt

Wunsiedel – Klöße als Kampfmittel gegen Rechtsextremismus? Da drängen sich Fragen auf, etwa die, was das eine mit dem anderen zu tun hat. „Bei uns eine ganze Menge“, sagt Svenja Fassbinder, Sprecherin von „Wunsiedel ist bunt“. Am kommenden Samstag lädt das Bündnis nämlich ein zu „Mittag am Markt“ in Wunsiedel, vor dem Rathaus, von 11.30 bis 13 Uhr. „Wir bitten zu Tisch beim womöglich ersten antifaschistischen Kloßessen Oberfrankens“, sagt Tami Pohl augenzwinkernd. Sie ist für den Deutschen Gewerkschaftsbund als Mitglied im Bündnis und bekennender Knödel-Fan. „Bei einem unserer Bündnistreffen haben wir überlegt, wie wir an Gelder für unsere demokratische Arbeit kommen. Mittag am Markt ist ein etabliertes und tolles Format, um etwas fürs Bündnis einzunehmen und gleichzeitig Menschen unterschiedlichster Hintergründe an einen Tisch zu bekommen.“ Beim Brainstorming kam der Gedanke an „Wunsiedel isst bunt“ auf, Klöße gibt es in allen Kulturen weltweit, „und so war die Idee vom ,Clash of the Knierla‘ geboren.“

Schnell fanden sich Mitstreiter: Esra Özekimci zum Beispiel, die nicht nur zweite Bürgermeisterin von Kirchenlamitz ist, sondern deren Familie dort auch eine Gaststätte betreibt. „Ich bringe Kloß und Soß mit, ganz typisch fränkisch. Es gibt baumwollene und grüne Klöße und auch eine vegetarische Soße.“ Uwe Behrendt, Vorsitzender der IG BAU Oberfranken, verbindet mit seinen Beitrag europäische Geschichte mit Familiengeschichte: „Mein Vater stammt ursprünglich aus Ostpreußen, und er hat wunderbare Königsberger Klopse gekocht. Auch er verlor am Ende des Zweiten Weltkriegs seine Heimat und hat als Flüchtling in Oberfranken eine neue gefunden. Seine Rezepte hat er mitgebracht und ich koche noch immer gerne danach.“

Stefan Frank, vielen bekannt durch seine Arbeit im Wunsiedler Bürgerforum und mit dem Jugend-Kunstmobil, ist ebenfalls zugezogen, „aber nur aus der Oberpfalz“. Er bietet Semmelspoutzn mit Musik an. Etwas exotischer dürften die Koofteh Anar o Gerdoo – Hackbällchen in Granatapfel-Walnuss-Sauce – werden, die mit Reis und Minzsoße serviert werden. Oder die Coconut-Dumplings von den Salomonen, kleine Bällchen aus Kokosflocken und Banane, die als Dessert gedacht sind. Die Küche Südtirols, Österreichs und Tschechiens präsentieren Spinatknödel mit Butter und Parmesan sowie Marillenknödel.

„Da sollte für jeden etwas dabei sein“, fasst Christine Lauterbach zusammen, ebenfalls Sprecherin von „Wunsiedel ist bunt“. Ob vegetarisch oder halal, herzhaft oder süß – jeder soll mitessen können. Deshalb bietet „Wunsiedel ist bunt“ auch die Möglichkeit des „Soli-Knödel“ an: Wer sichdie 6 Euro pro Portion nicht leisten kann, darf auch gegen Spende etwas haben. Und mehr bezahlen ist selbstverständlich immer möglich – schließlich sollen die Einkünfte für den Spendenlauf im November verwendet werden. Dessen Neuauflage geht auf 2014 zurück. Damals krönte „Wunsiedel ist bunt“ seine kreativ-fröhliche Protestreihe mit einem weltweit beachteten Coup: Dem Spendenlauf von „Rechts gegenRechts“. Hintergrund war der Jahrzehnte währende Kampf gegen die Bemühungen Rechtsextremer, aus Wunsiedel einen Neonazitreffpunkt zu machen. Mit Beharrlichkeit wehrten sich die Wunsiedler gegen die rechten Umzüge, aber auch mit juristischem Sachverstand: Altlandrat Dr. Peter Seißer hatte vor genau 25 Jahren ein Gesetz angestoßen, dass nun seit 20 Jahren die Aufmärsche tausender zum Grab des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess für gesetzeswidrig erklärte.

Die Neonazis klagten und verloren, suchten Schlupflöcher und fanden – wieder einmal – bunten Widerstand: Beim „unfreiwilligste Spendenlauf der Welt“, floss für jeden von den Rechtsextremen gelaufenen Meter Geld an die Aussteigerorganisation Exit. 2024, zum zehnten Jahrestag, hatte „Wunsiedel ist bunt“ erneut einen Spendenlauf organisiert, dieses Mal von Hobbysportlern zugunsten von demokratiefördernder Arbeit. Das kam so gut an, dass der Spendenlauf wiederholt werden soll.